Die Werke von Elisa Daubner zeugen von einem beständigen und forschenden Arbeitsprozess. Seit mehreren Jahren ist der abstrakte Ausdruck ihr Wegbegleiter, der über die Arbeit mit Fundstücken und Zeichnungen auf Papier zu Zeichnungen auf Holzgegenständen gewachsen ist. Mit ihrem bildhauerischen Ansatz bewegt sich sie damit an der Grenze von Objektkunst und Grafik.
Als Ausgangspunkt dienen nicht mehr verwendete Gebrauchsgegenstände, die am Straßenrand oder in Brockenhäusern auftauchen. So verbringt Elisa Daubner viel Zeit mit Entdeckungstouren – auf der Suche nach „verlorenen“ Objekten. Sie findet Brot- und Zopfbretter, Serviettenhalterungen oder Kisten, mit je eigenen Qualitäten und Beschaffenheiten. Der darauffolgende Prozess des Zeichnens erinnert an einen Tanz mit Setzungen von Linien und Flächen, mit Komposition, Intuition und Zufall. Wie reagiert die Tusche auf das Material? Lassen die Strukturen klare Striche zu, verläuft die Farbe ungehindert oder wird sie abgestoßen? Dabei wird die Künstlerin im Unterschied zum Papier nicht nur mit verschiedenen, oft markanten Formaten, sondern weiter mit Spuren eines vorhergegangenen Lebens und mit objektinhärenten Geschichten konfrontiert.
Elisa Daubners Bildkonzepte basieren auf der Verwendung von abstrakten, zusammengefügten Zeichen. Es sind wiederkehrende Formen, die sich in vergleichbarer Gestalt überall finden lassen. Sie mögen an Höhlenmalereien oder Ornamentik, an Codesysteme oder Geheimsprachen erinnern.
Wie bereits die prähistorische Kunst aufzeigt, existieren Zeichen seit Langem. Aufgrund unserer veränderten Kommunikationsweise erscheinen ihre Bedeutungen heute jedoch oft verschlüsselt. In unserem Alltag finden wir symbolisch aufgeladene Zeichen in Ikonen, in der Politik, aber auch in Markenlogos – in allem, was wir als Referenzpunkte erkennen. Wir nutzen sie, um die Komplexität unseres Umfeldes zu vereinfachen und um ein Gesamtbild unserer Welt zu erfassen, welches wir benennen, einordnen und universell zugänglich machen möchten. Versiert kreieren wir Neologismen, die sich später im Sprachgebrauch einschmiegen können.
Auch bei der Anschauung von Elisa Daubners Zeichnungen mag ein Prozess der Formerkennung passieren. Als Betrachter*innen verleihen wir dem Gesehenen mit jeder Verbalisierung eine individuelle Bedeutung. Mit den teils kräftigen, teils fragil wirkenden Linienführungen mag auf den ersten Blick ein lesbarer Aufbau angedeutet werden. Sowie die Gebrauchsobjekte Erinnerungen auszulösen vermögen, meinen wir Formdeutungen zu erkennen, Rätsel zu lösen und Kontexte zu erahnen. Doch bald wird klar, dass wir uns stets im Schwebezustand befinden und nicht auf den Punkt kommen. Was bleibt ist ein Gefühl, evoziert durch die reine Betrachtung.
So sind es innere Gesten, welche die Künstlerin in ihren Arbeiten zum Ausdruck bringt. Wie Symphonien reiht sie einzelne Töne aneinander, die zusammengefügt einen harmonischen Klang entstehen lassen. Wenn Elisa Daubner sich ein „Objet trouvé“ aneignet, dann entkoppelt sie es nicht nur von dessen ehemaligen Funktion, sie kreiert neue, offene, gar sinnentleerte Erzählungen. Denn während sich auf der einen Seite ein weites Assoziationsfeld eröffnet, ist die Sinnhaftigkeit, das heißt das Verständnis um den Symbolgehalt der Zeichen für Elisa Daubner nicht nur zweitrangig – sie scheint uns einen Zugang zu ihrem Werk über den reinen Verstand gar zu verwehren.
Damit mag die Künstlerin auch anecken, denn die Objekte stehen im Gegensatz zu einer verstandsorientierten Welt. Obwohl wir immer wieder zu wissen meinen, lassen die Arbeiten uns unwissend zurück – was bleibt ist die Einladung sich eben dieser Erfahrung nicht zu entziehen und sich einem neuen Geheimnis hinzugeben.
Katrin Sperry
Elisa Daubner’s works bear witness to her constant and exploratory working process. For several years, abstract expression has been her trusted companion; in the meantime, it has grown through her work with objects she has found, and drawings made on paper, into drawings on wood. Her sculptural approach sees her working at the borders between object and graphic art.
She starts out with objects that are no longer in use; they may turn up at the side of a road, or in a second-hand shop. Elisa Daubner thus spends a lot of time on discovery tours in search of ‘lost’ objects. She finds breadboards, serviette holders, boxes; every piece has its own quality and texture. Her subsequent drawing process reminds us of a dance in which lines and areas are laid down by composition, intuition and chance. How does the ink interact with the material? Does the structure allow clear strokes? Does the ink run seamlessly, or is it repelled? In contrast to working on paper, she’s confronted not only by different, often striking formats, but also by traces of a previous life and stories inherent in the objects.
Elisa Daubner’s artistic concepts are based on the use of abstract and assembled signs. They’re recurring shapes that can be found anywhere in a comparable form. They may remind us of a cave painting or some ornamentation, of a code or a secret language.
Prehistoric art has already shown us that symbols have existed for as long as humanity has. However, due to our changed way of communicating, their meaning often appears encoded today. We often come across symbolically-charged signs in our everyday lives – in icons, politics, logos – in fact, in anything we recognise as a point of reference. We use them to simplify the complexity of our world and to grasp its overall picture, which we want to name, classify and make universally accessible. We adeptly create neologisms that can later nestle into our language.
We may also recognise forms when we look at Elisa Daubner’s drawings. As viewers, we lend individual meaning to what we see every time we talk about it or name it. At a first glance the lines we see – some strong, some fragile – may suggest a legible structure. As soon as the objects used trigger a memory, we think we recognise and can interpret the form, solve a riddle or guess the context. It soon becomes clear, however, that we’re always in a state of limbo and can’t ever get to the point. What remains is a feeling, evoked by pure contemplation.
So the artist expresses inner gestures in her work. Like symphonies, she strings together individual notes that, when joined together, create a harmonious sound. When Elisa Daubner appropriates an ‘objet trouvé’, she not only detaches it from its function, she creates new, open, even meaningless narratives. A broad field of association opens up, on the one hand, but the meaning, an understanding of the symbolism of a sign, is of secondary importance to Elisa Daubner. She even seems to want to deny access to her work through understanding.
This may cause Elisa Daubner’s work to provoke people, for her art stands in stark contrast to a world that puts the intellect centre stage. Although we repeatedly think we know something, her art leaves us ignorant. What remains is an invitation not to avoid this experience, but to surrender to a new mystery.
Katrin Sperry
Translation / Übersetzung – Gyan Sharan Bitterli
CV:
2006-2011 Sculpture/Free Art studies in Halle/Saale, Mexiko City und Berlin (diploma)
2011-2012 master student with Hanns Schimansky
2012 Mart Stam Prize
Solo/Group Exhibitions (selection):
2024
"Berner Künstler:innen", Galerie Eulenspiegel im Paradiesli Sigriswil, CH
"Memento Mori", Galerie Art und Weise, Bern, CH
Hanna Kuster/Monica Ferreras De la Maza/Elisa Daubner, Galerie Eulenspiegel, Basel, CH
2023
"Cantonale Berne Jura 2023/24", Kunsthaus Steffisburg, CH
“SeeStuecke“, Galerie Eulenspiegel im Paradiesli Sigriswil, CH
“VIS À VIS LANDSCAPES AND OBJECT“, Palazzo Tagliaferro, Andora, IT (with Monica Ferreras De la Maza)
2022
"Cantonale Berne Jura 2022/23", Kunstmuseum Thun, CH
LOST:FOUND, Galerie Eulenspiegel, Basel, CH (solo), (c)
2020
SOMMERAUSSTELLUNG, Galerie Eulenspiegel, Basel, CH
"FADENOBJEKTE - THREAD WORKS", Galerie Eulenspiegel im Paradiesli Sigriswil, CH
"KNOWN and UNKNOWN / Anastasia A. Wolf – Lis Blunier & Guests", Galerie Mayhaus, CH
2019
"Cantonale Berne Jura 2019/20", Kunsthaus Pasquart, Biel, CH
"Cantonale Berne Jura 2019/20", La Nef, Le Noirmont, CH
"micro mundo", Galerie ArchivArte, Bern, CH (with S. Hofkunst)
2018
"Cantonale Berne Jura 2018/19", Kunstmuseum Thun, CH
"FineArtSigriswil", Parkhotel Gunten, CH
2017
"Cantonale Berne Jura 2017/18", Kunstmuseum Thun, CH
"Polyphone Notationen", okazi gallery, D (solo)
"Der Klang zwischen Ein- und Ausatmen", Kunstverein Atelier Worb, CH (with A. Altmeier)
2016
"Cantonale Berne Jura 2016/17", Kunsthaus Langenthal, CH
"Circulare", Privatklinik Wyss, Münchenbuchsee, CH (solo)
2015
“Who is Who”, Schweizerisches Psychiatriemuseum Bern, CH
“x-y-z Horizontal nach oben #2“, Galerie Art und Weise, Bern, CH (with K. Quecke)
“Kunst Boulevard“, Kulturamt Steglitz, Berlin, D (c)
2014
“x-y-z Horizontal nach oben #1“, Galerie Art-House, Thun, CH (with K. Quecke)
“Zum Bleistift: Zeichnung”, Galerie Inga Kondeyne, Berlin, D
“ART TRUCK”, Ackerstraße 1, Berlin, D
2013
“Re:Passion“, Galerie Susanne Albrecht, Berlin, D
“Kauf mich!“, Galerie Schwartzsche Villa, Berlin, D (c)
2012
“Preview Berlin“, Kunstmesse am Flughafen Tempelhof, Berlin, D
“Superposition“, Mohrenstraße 11, Berlin, D
2011
“Die Unendlichkeit im Detail“, Kunsthalle Hamburger Platz, Berlin, D (c)
“Prolog 7“, Scheffelstrasse 21, Berlin, D
2010
“5th International Student Triennal”, Marmara University Istanbul, TRK (c)
2009
“Zeichnen und Schreiben”, Galerie im Turm, Berlin, D
“Anonyme Zeichner“, Künstlerhaus Bethanien, Berlin, D
2008
“Habitando”, Centro Cultural Casa Frissac, Mexiko City, MEX
“Prolog 5”, Galerie Parterre, Berlin, D
2007
“Störfaktoren“, Museum Abtei Liesborn, Warendorf, D
“100 Jahre Volkspark”, Volkspark, Halle/Saale, D (c)
“Geometrie der Arbeit 1”, Alte Baumwollspinnerei, Leipzig, D (c)
(c= catalog)
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